Die Omikron-Variante dominiert auch den Jänner-Newsletter des Mediziners Michael M. Kochen. Dabei gibt es noch nicht auf alle offenen Fragen überzeugende Antworten.
Der deutsche Mediziner Prof. Dr. med. Michael M. Kochen präsentiert in seinem Newsletter MMK-Benefits regelmäßig hausärztlich relevante Studienergebnisse. Prof. Kochen hat dem Institut für Allgemeinmedizin und Public Health seinen Newsletter zur Verfügung gestellt.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Nicht nur die Leserinnen und Leser der Benefits fragen sich, welche Entwicklung die seit Ende der ersten Kalenderwoche 2022 in Deutschland dominierende Omikron-Variante nehmen wird.
Für viele der offenen Fragen gibt es bis heute keine überzeugenden Antworten. Zwar erscheinen täglich zahlreiche Publikationen – die meisten sind aber noch nicht begutachtete Preprints. Das heutige Benefit sollte also nicht den Eindruck vermitteln, dass wir bereits alles über Omikron wissen (die erste Meldung über die Variante aus Staaten im südlichen Afrika ist gerade einmal acht Wochen alt).
Vieles bleibt weiterhin unklar:
Unklar bleiben die genauen Gründe für die exzessiv hohe Ansteckungsfähigkeit; ob es die Immunflucht (immune escape) alleine ist, wird unter Experten kontrovers diskutiert.
Die Zahlen der positiv Getesteten entwickeln sich schneller als die Krankenhausfälle bzw. die zeitlich immer deutlich nachhinkenden Intensivfälle. In bislang wenigen deutschen Bundesländern mit hohen Impfquoten (wie z.B. Bremen, vollständig Geimpfte >85%; dagegen Deutschland 72.8%; Baden-Württemberg 71%) gehen Inzidenz, aber auch Krankenhausaufnahmen bereits tendenziell zurück. Diese Entwicklung, die auch in Staaten mit hohen Impf- und/oder Genesenen-Quoten wie Dänemark oder dem UK zu beobachten ist, bleibt bislang unerklärt.
Unklar bleibt ebenfalls, wie belastbar die Unterschiede für schwere Verläufe zwischen Grundimmunisierten und Geboosterten sind (aktuell sind in Deutschland 20,7 Mio. [~25%] Menschen noch nicht geimpft, davon knapp 3 Millionen >60 Jahre; 45 Millionen haben noch keine 3. Impfung). Eine revidierte Nomenklatur müsste in Bezug auf den Begriff Grundimmunisierung drei Dosen umfassen, wie wir das seit vielen Jahren von anderen Impfungen wie z.B. Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio oder Hepatitis B kennen. Zwei Impfungen schützen nicht so gut wie drei.
Wie hoch die Unterschiede aktuell sind, können sie den nachfolgenden Abbildungen aus dem letzten RKI-Wochenbericht und den Zahlen der KBV entnehmen, die sich natürlich nur teilweise auf die inzwischen führende Variante Omikron beziehen:
Ist ein zweiter Booster gegen Omikron sinnvoll?
Über die zunehmend häufiger diskutierte 4. Dosis (2. Boosterung) gibt es momentan noch keine ausreichende Evidenz für den Nutzen.
Nach vorläufigen, bislang unpublizierten Daten aus dem Sheba Medical Center in Tel Hashomer nahe Tel-Aviv (n=540 geboosterte Teilnehmer, die Hälfte bekam eine 4. Impfung) sind die Antikörpertiter zwar moderat angestiegen. Die Wirksamkeit gegen eine Ansteckung mit der im Lande vorherrschenden Omikron-Variante war jedoch nur geringfügig besser als in der Kontrollgruppe.
Die Studienleiterin, Prof. Gili Regev-Yochay empfiehlt eine vierte Dosis nur Hochrisikopatienten (eine klare Absage an die offizielle politische Linie „alle >60“ war ihr aber offenbar zu riskant). Aus meiner Sicht kann man den zweiten Booster (Mindestabstand zur 1. Boosterdosis 3-4 Monate) bei Immunsupprimierten, Organtransplantierten und hochaltrigen/schwer vorerkrankten Patienten erwägen.
Omikron bei Ungeimpften
Ungeimpfte sollen nach Expertenaussagen bei einer akuten Infektion mit der Omikron-Variante – im Vergleich zur Delta-Variante – einen um ca. 25% milderen Verlauf erleben. Bislang ungeklärt sind allerdings die genauen Mechanismen für diese Verlaufsform (meist Kopfschmerzen, Husten, Schnupfen, Nachtschweiß, subfebrile Temperaturen).
Für den Mechanismus wird diskutiert, dass Omikron – im Gegensatz zu Delta – auch durch die sog. endosomale Route in Zellen eindringen kann: Bei diesem Weg wird für die Infektion einer Zelle nur der ACE-2-Rezeptor, nicht aber zwingend die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2) benötigt. Diejenigen Zellen, die nur den ACE2-Rezeptor haben, kommen häufiger in Rachen und Nase als in der Lunge vor.
Was ziemlich klar ist:
Die Omikron-Variante ist extrem ansteckend (ca. 2-5x stärker als Delta); die gemeldeten Zahlen zeigen z.Zt. einen exponentiellen Anstieg. Einige Krankenhäuser (z.B. in Schleswig-Holstein) haben bereits auf ihren sog. Normalstationen die Belastungsgrenze überschritten.
Es gibt einen evidenten Zusammenhang zwischen dem Risiko für schwere Verläufe und dem Impfstatus. Dieser Zusammenhang ist auch vom Alter der Betroffenen abhängig und sowohl in als auch außerhalb von Deutschland nachgewiesen.
- Seroprävalenz-Studien zeigen, dass hierzulande rund 10% der Bevölkerung Kontakt mit dem Virus hatten – im UK aber sind es > 97%. Dieser hohe Durchseuchungsgrad wurde in Großbritannien allerdings mit einer hohen Todesrate bezahlt (UK 2.222 – Deutschland 1.383 Tote pro 1 Mill. Einwohner; 17.1.2022).
- Ob und wie ausgeprägt es unter diesen Bedingungen zu einer Überlastung der Intensivstationen in Deutschland kommen wird und wie viele Menschen sterben werden, ist – trotz guter Modellierungen – heute noch nicht einschätzbar. Klar aber scheint zu sein, dass die „Freigabe“ der AHA-L-Regeln hochriskant sein kann.
Die Zusammenhänge zwischen dem Impfstatus eines Landes und der Omikron-Variante lassen sich auch z.B. für die USA oder Israel zeigen. Beide Länder haben eine schlechtere Impfsituation als (der europäische Spitzenreiter) Portugal oder Deutschland.
Israel hat als erstes Land mit hoher Geschwindigkeit und bewundernswertem Pragmatismus geimpft. Leider ist sowohl beim ultraorthodoxen als auch beim arabischen Bevölkerungsteil die Impfskepsis unverändert hoch.
- Laut der israelischen Tageszeitung Haaretz liegen z.Zt. rund 500 Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen auf den Intensivstationen des Landes (die Zahl der Beatmeten [n=100] ist allerdings in den letzten Tagen stabil geblieben).
- Das Gesundheitssystem des Landes ist damit offenbar am Anschlag („From psychologists to respiratory technicians: The fifth COVID wave has caught health care personnel in hospitals and clinics in a state of unbearable devastation – emotionally, physically and financially“, Haaretz 17.1.2022).
Die USA stehen noch deutlich schlechter da (besonders bei Boosterimpfungen)
Der höchste US-amerikanische Gesundheitsbeamte, US Surgeon General Vivek Murthy, warnte am 16. Januar, dem Land stünde das Schlimmste noch bevor. Diese Äußerung hat selbstredend nichts mit einer Verkennung der Omikron-Variante zu tun, sondern mit dem Wissen um Impfstatus, Maskenverweigerung und Zahl der Beatmungsplätze im Land.
Die USA haben, im Gegensatz zu fast allen westlichen Industriestaaten, zudem auch einen gravierenden Mangel an Schnelltests – man hat sich von Seiten der Biden-Administration, aber auch vieler Bundesstaaten erst seit wenigen Wochen um dieses Problem gekümmert.
Neuen Isolations- und Quarantäne-Richtlinien
Über z.T. chaotische Zustände bei der Umsetzung der neuen Isolations- und Quarantäne-Richtlinien von BMG/RKI durch etliche Gesundheitsämter erreichen mich Berichte aus dem ganzen Land.
Seit 15. Januar geltende Isolations- und Quarantäneregeln von BMG/RIKI
Es geht aber beileibe nicht alleine um die Umsetzung neuer Regularien, sondern auch um andere Vorgänge, die mit den ureigensten Aufgaben eines Gesundheitsamtes zu tun haben. So schreibt Marc Etzold, Chefkorrespondent von Focus, auf Twitter:
[Auch die täglich gemeldeten Zahlen hinken der aktuellen Entwicklung hoffnungslos hinterher. Dass seit Beginn der Pandemie an Wochenenden verlässlich ca. 35% der Gesundheitsämter keine Zahlen an das RKI melden, liegt keineswegs an Fax-Ersatzteil- oder Papiermängeln, auch nicht am zweifelsohne vorhandenen Personalmangel alleine. Die nach Prä-Pandemie-Tradition an Wochenenden und Feiertagen eingestellte Arbeit in essentiellen Kernbereichen einer Gesellschaft nennt der Normalbürger … (o.k., ich erspare mir den Begriff, Sie kennen ihn sowieso alle). Dass dies von den hier zuständigen Landesministerien unverändert so hingenommen wird, ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel!]„Sechs Tage nach dem positiven PCR-Testergebnis meldet sich das Gesundheitsamt per SMS mit der Bitte, dass ich Ihnen meine E- Mailadresse schicke, damit sie mir “innerhalb der nächsten Tage” die Quarantäneanweisung schicken können. Das muss sie sein, die Digitalisierung“.
Marc Etzold, Chefkorrespondent von Focus
Fahrlässige Praktiken in Kultureinrichtungen
Wenn Sie etwas über fahrlässige Praktiken in einigen Kultureinrichtungen erfahren wollen, lesen Sie bitte den folgenden Fallbericht:
Am Samstag (15.1.) war ich abends im Freiburger Stadttheater. Das sog. Große Haus hat 900 Sitzplätze; an diesem Abend wurden 500 Tickets verkauft. Freiburg hatte am 15.1. eine aktuelle 7-Tagesinzidenz von 681.6. Es galt die 2G+-Regel: Zutritt nur für Geimpfte/Genesene mit tagesaktuellem Schnelltest (PCR ginge auch, der Test ist aber für Symptomlose unerhört teuer) oder Boosterung. Am Eingangstor war gut lesbar ein Schild angebracht, dass eine FFP2-Maske obligatorisch sei.
Im Foyer stehen mindestens 25 Personen eng beieinander (sichtbar nicht nur „ein Haushalt“) und lassen sich Getränke schmecken. Natürlich ohne Maske. Auf der Webseite des Theaters steht „Beim Verzehr von Speisen und Getränken bitten wir Sie, die Abstandsregel einzuhalten“.
Nach Ende des Stücks treffe ich einen Mann mittleren Alters, dunkler Anzug, Krawatte, mein Haarschnitt. Er sei, sagt er, für das Zuschauermanagement verantwortlich; über die Pandemie weiß er gut Bescheid. Ich frage ihn ohne Umschweife, wie es sein kann, dass bei den strengen Einlasskriterien, einer hohen/steigenden Inzidenzzahl und einer exzessiven Ansteckungsfähigkeit der zirkulierenden Omikron-Variante der Getränkekonsum ohne Maske möglich wäre.
“Wir erlauben das aber, weil wir in diesen Zeiten unsere knappen Finanzmittel aufstocken müssen“
Seine freundlich vorgetragene, glasklare Antwort: „Sie haben vollkommen Recht. Wir erlauben das aber, weil wir in diesen Zeiten unsere knappen Finanzmittel aufstocken müssen“. Ich: „Auf Kosten der Gesundheit alter und vorerkrankter Zuschauer/innen?“. Er: „Rund zwei Prozent unserer Zuschauer waren heute nicht geboostert. Wir müssen jetzt alle da mal durch“.
„Gesundheit gegen Profit“? Ähnliches wird in Kinos praktiziert: 2G+-Regel und Maskenpflicht – selbstverständlich darf die Maske für Snacks und Getränken abgenommen werden. Bei Delta und Inzidenzen um 50 kein Problem, aber bei Omikron? Ich gehe leidenschaftlich gerne ins Kino … und freue mich schon unbändig auf die Virusexposition von Mitmenschen, denen Popcorns und Cola über jede Gefährdung anderer gehen. Dieses Verhalten wird natürlich erst möglich durch das Verkaufsangebot der Kinos.
Ob das eine Empfehlung für die von mir uneingeschränkt befürwortete Offenhaltung von Kultureinrichtungen ist, überlasse ich gerne Ihrem Urteil…
Eine kleine Auswahl an weiteren neuen Erkenntnissen:
Die Analyse einer Kohorte von 3.959 Frauen (2.403 geimpft [BNT 55%, Moderna 35%, Johnson & Johnson 7%]; 1.556 ungeimpft) ergab: Die Verschiebung der Menses um im Mittel weniger als einen Tag war bei Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften statistisch nicht signifikant.
Asthma ist auch nach einer großen, prominent publizierten Kohortenstudie aus Schottland kein Risikofaktor für einen komplizierten Covid-19-Verlauf – mit der Ausnahme schwer kranker Patienten, die mit systemischen Corticoiden behandelt werden müssen (2-3 Rezepte/2 Jahre).
SARS-CoV-2 (nicht Omikron) infizierte Kinder und Jugendliche haben möglichweise ein erhöhtes Risiko eines Typ 1-Diabetes. Eine Autorengruppe der US-amerikanischen CDC hat zwei Datenbanken mit insgesamt >300.000 Personen <18 Jahren ausgewertet. In beiden konnte ein signifikant erhöhtes DM-Risiko nachgewiesen werden – in der deutlich größeren der beiden war das Risiko allerdings nur bei Kindern/Jugendlichen von 12-17 Jahren erhöht, nicht bei den <12-jährigen.
Dass die „offizielle“ Zahl von Coronatoten (5.566.603) wenig mit der Realität zu tun haben könnte, habe ich in einem Benefit Anfang November 2021 mit Hinweis auf einen Bericht im britischen „Economist“ erwähnt. Am 6. Januar 2022 nahm sich das renommierte Wissenschaftsmagazin Science dem Thema unter der Überschrift “COVID-19 may have killed nearly 3 million in India, far more than official counts show“.
Soeben hat die Zeitschrift Nature eine ausführliche Analyse publiziert, in der die Unsicherheiten einer exakten Berechnung thematisiert werden. “The pandemic’s true death toll: millions more than official counts“.
Schnelltests: Wechsel des Abstrichortes
Nach ersten, noch nicht belastbaren Publikationen (ein früher Hinweis wurde bereits im Juni 2021 im Lancet Resp. Med. publiziert https://t1p.de/lbjp), scheint sich in Bezug auf die Ausbeute bei Omikron-Fällen ein Wechsel des Abstrichortes für Schnelltests anzudeuten – weg von der Nase, hin zu Rachenhinterwand und Speichel. [Wolfgang von Meißner, der in Baiersbronn eine große Corona-Schwerpunktpraxis führt, schreibt mir, dass er mehrfach erlebt hat, dass Schnelltests in der Nase negativ, im Rachen jedoch positiv waren].
„Saliva swabs are the preferred sample for Omicron detection“
Schon vor dem Eintreffen von weiteren, begutachteten Publikationen ist es aus meiner Sicht ratsam, bei Schnelltests nicht mehr den Nasenvorhof abzustreichen.
Wenn man von PCR- und Schnelltests spricht, muss man automatisch auch Fragen nach der Qualität und ggf. der Eignung für die Omikron- Variante stellen. Bevor ich eine Antwort versuche, schildere ich Ihnen einen zweiten Fallbericht (es geht hier um eine gute Freundin – Alter, Name und Ort werden natürlich verschwiegen).
Vor ca. 10 Tagen Essenseinladungan 4 Freunde (zusammen mit dem Ehemann der Frau sind sechs Leute um den Tisch versammelt). Alle Personen sind geboostert, alle zuhause negativ schnellgetestet. Das Esszimmer ist quergelüftet, Masken außerhalb des Tisches werden jedoch nicht getragen.
Einen Tag nach dem gemeinsamen Essen entwickelt die Frau Symptome eines Atemwegsinfektes: Heftige Kopfschmerzen, Husten und subfebrile Temperaturen. Der umgehend durch den Ehemann (Allgemeinarzt) nasopharyngeal abgestrichene Schnelltest (Abbott Panbio) ist positiv. Das Ergebnis wird (zuhause) umgehend nochmals kontrolliert: erneut positiv. Noch am selben Tag erfolgt der Gang in die Apotheke zur Testwiederholung (nasal) – Resultat: negativ.
Am nächsten Tag geht die Frau in ein Testzentrum, wo ein PCR gemacht wird. Der vorher routinemäßig durchgeführte – vierte – Schnelltest (nasal) ist … negativ. Der PCR wird vom Testzentrum trotzdem eingeschickt. Am nächsten, dem dritten Tag kommt das Ergebnis und ist … positiv. Der deutlich ältere Ehemann entwickelt keine Symptome, sein PCR ist negativ.
Wir telefonieren zum ersten Mal. Ich frage routinemäßig nach, wer sonst noch in das Haus kommt. Ach, nur die Haushaltshilfe, die sei zuletzt vor fünf Tagen da gewesen. Ob sie |
geimpft/geboostert sei? Ja, geimpft sei sie… sagt sie zumindest; geprüft habe sie das aber nicht. Trägt sie bei der Arbeit im Haus eine Maske? Nein. |
Meine Freundin ruft bei der Haushaltshilfe an. Sie ist hörbar krank. Auf Nachfrage gibt sie an, vor gut einer Woche von der Reise in ihr (osteuropäisches) Heimatland zurückgekehrt zu sein. Dort habe sie mit vielen anderen Teilnehmern an der Taufe eines Kindes teilgenommen. Masken habe dabei aber niemand getragen.
Ob sie denn schon einen Test habe machen lassen. Nein, das brauche sie doch gar nicht, sie fühle sich zunehmend besser (NB: Die Frau schneidet sich damit ins eigene Fleisch, weil sie – geimpft oder nicht – auf die Vorteile des Genesenenstatus verzichtet. PCR-Tests sind für symptomatische Personen unverändert kostenfrei). Bei einem weiteren Telefonat stellt sich heraus, dass meine Freundin nicht die Einzige war, die sich über die Frau angesteckt hat.
Die vier anderen Essensteilnehmer haben inzwischen (drei Tage nach der Exposition) ihr PCR-Ergebnis: Negativ.
„Bewährte und sehr beliebte Infektionsfallen“ in der Omikronzeit:
- die Zusammenkunft in Innenräumen mit geboosterten und vermeintlich negativ schnellgetesteten Personen (in diesem Sinne sind auch Aufzüge – noch dazu sehr kleine – Innenräume),
- der Besuch von Museums-Cafeterias oder Verkaufsständen in Konzertpausen, wo die Maske zum Essen/Trinken fällt,
- die schamhafte Nichtbefragung von häuslichen Besucher/innen wie z.B. Handwerkern, neuem Pflegepersonal oder nur kurz bekannten Haushaltshilfen ohne Impfstatuskontrolle und die „großzügige“ Toleranz gegenüber der fehlenden FFP2-Maske während der Arbeit,
- Gemeinsame Autofahrten ohne Maske und ohne offenen Fensterspalt
Die Sensitivität des zuhause genutzten Schnelltests scheint besser gewesen zu sein als die in Apotheke und Testzentrum – das könnte durchaus mit der unterschiedlichen Abstrichtechnik zu tun haben (nasopharyngeal vs. nasal). Interessant ist, dass die Evaluation des hier zum Einsatz gekommenen Panbio von Abbott durch das Paul Ehrlich Institut (PEI) vom 12.1.2022 eine Sensitivität von 64% zeigt. Eine neuere Publikation kommt gar nur auf 54% – beides keine berühmten Werte!
[An dieser Stelle eine kleine Korrektur meiner Angabe im letzten Benefit: Ich hatte Ihnen statt der PEI-Bewertung die Auflistung des BfArM angegeben – Danke an Ferdinand Gerlach für den Hinweis].Nach bisherigen Erkenntnissen des PEI sind alle Schnelltests (die nicht auf das mutierte Spike- sondern auf das weitgehend unveränderte N (Kern)-Protein zielen) für die Omikron-Variante geeignet.
Die am besten evaluierten Tests in der PEI-Liste sind diejenigen, die zumindest bei ct-Werten <30 eine 100%-ige Sensitivität aufweisen (noch besser sind die zwei [n=2!], die eine Gesamtsensitivität von 100% haben).
Sollten Sie sich zum Kauf entscheiden, nehmen Sie am besten 4- valente Schnelltests, die für nasal, nasopharyngeal, oropharyngeal und Speichel geeignet sind. Rechnen Sie mit langen Lieferfristen.
Schon heute signalisieren viele Labors, dass die Kapazität von PCR- Tests in wenigen Tagen am Limit sein dürfte. Dann tritt eine Situation ein, die ich bereits im letzten Benefit am Vorabend der Weihnachtsfeiertage beschrieben habe („Wenn Sie bei positiv ausgefallenem Schnelltest eine PCR-Bestätigung brauchen, … rechnen Sie mit erheblichen Wartezeiten. Sollten Sie an diesem Punkt scheitern, isolieren Sie sich, als ob Sie eine bestätigte Covid-19-Erkrankung hätten“).
Die Positivrate der eingesandten Proben liegt heute bei mehr als 23 Prozent, was bedeutet, dass – unter Bezug auf die von der WHO empfohlene Rate von nicht >5% – mit einer erheblichen Dunkelziffer von unerkannt Infizierten gerechnet werden muss.
Jeder wird sich wohl mit Omikron anstecken. Womöglich mehrfach.
Isabella Eckerle, Virologin & Professorin am Universitätsklinikum Genf
Die an der Universität Genf arbeitende Professorin Isabella Eckerle (eine frühere Mitarbeiterin von Christian Drosten) hat am 11. Januar der Wirtschaftswoche ein Interview zum Thema Schnelltests gegeben (auf die Unterschiede zwischen nasal und oropharyngeal/Speichel geht sie allerdings nicht ein). Im Einleitungstext heißt es u.a.: „Jeder wird sich wohl mit Omikron anstecken. Womöglich mehrfach“.
Von nix kommt nix
Wenn Sie nach der Lektüre des heutigen Benefits der Meinung sind, dass
- unsere Krankenhäuser mit der grassierenden Omikron-Welle nicht überlastet werden,
- die Situation trotz der drei Millionen Ungeimpften über 60 Jahre, zehntausenden Immunsupprimierten, Organtransplantierten, MS- Kranken u.v.a.m. „mild“ und nicht so gefährlich sei,
- Sie sowieso so gesund sind, dass eine stationäre Aufnahme extrem unwahrscheinlich ist,
- wir alle jetzt durchmüssen,
- und „Long-Covid“ ein Märchen aus 1001 Nacht ist,
- dann dürfen Sie ab sofort an jeder Corona-Party teilnehmen (natürlich auch außerhalb des Freiburger Stadttheaters). Versprochen…
Zum Schluss noch eine lesenswerte Einschätzung zur gesamten Omikron- Problematik aus berufenem Munde: Der Berliner Tagesspiegel hat am 16. Januar ein Interview mit dem Leiter der Virologie an der Charité, Christian Drosten geführt. Der Text steht dankenswerter Weise nicht hinter einer Bezahlschranke [darauf legt CD großen Wert – meist mit Erfolg]. Titel „Wie lange geht diese Quälerei noch weiter?“
Herzliche Grüße
Michael M. Kochen
Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP
Emeritus, Universitätsmedizin Göttingen
Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
AG Infektiologie und Leitliniengruppe Neues Coronavirus, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Ordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
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