Ärztinnen oder Ärzte und Patient:innen sprechen nicht immer eine gemeinsame Sprache. Probleme und Behandlungsvorschläge werden vom Gegenüber nicht immer verstanden. Eine Kampagne macht nun auf das Problem aufmerksam:
In Arztpraxen und Krankenhäusern treffen Patient:innen und Ärztinnen und Ärzte aufeinander, die abweichende Erwartungen und Wünsche an das Gegenüber haben. Die für eine gelungene Visite relevanten Aspekte, wie die Gesundheitskompetenz, der Eigenbeitrag oder die Selbstinformation, werden von Ärztinnen und Ärzten anders eingeschätzt, als von ihren Patient:innen. Die deutliche Asymmetrie in der Arzt-Patienten-Beziehung bestätigt eine Studie, die von der Freien Universität Bozen und der Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin SAKAM, weitergeführt vom Institut für Allgemeinmedizin und Public Health der Claudiana, in Zusammenarbeit mit der Forschungseinrichtung Apollis durchgeführt wurde.
Die Ergebnisse der Studie wurden in vier Kurzvideos zusammengefasst. Ab sofort sind diese in den Wartesälen der Südtiroler Krankenhäuser sowie in den Regionalzügen zu sehen. Am 30. November 2021 wurde die Sensibilisierungskampagne von den Verantwortlichen des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health, der Freien Universität Bozen und des Südtiroler Sanitätsbetriebes an der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana in Bozen vorgestellt.
Verständnis und Vertrauen:
„Die Qualität eines Arzt-Patienten-Gesprächs hängt vor allem von der Beziehung ab, die zwischen dem Arzt oder der Ärztin und den Patient:innen besteht. Dabei gibt es zwei Elemente, die nicht fehlen dürfen: Verständnis und Vertrauen“, sagte der Allgemeinmediziner und Wissenschaftliche Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Dr. Giuliano Piccoliori. Nur wenn Ärztinnen und Patient:innen eine gemeinsame Sprache sprächen, wenn der Arzt die Probleme seines Patienten verstehe und der Patient die Behandlungsvorschläge des Arztes nachvollziehen könne, nur dann verlaufe ein Behandlungsgespräch gut. Laut Piccoliori ist es wichtig, das gegenseitige Verständnis für das Gegenüber immer wieder anzustreben und zu überprüfen.
Die Ressource „Patient:in“ fördern:
Während ein Großteil der Patient-Arzt-Studien das Ziel hätten, den „Service am Patienten“ zu verbessern, sagte der Präsident des Instituts Dr. Adolf Engl, stelle diese Studie die Kommunikations- und Handlungspotentiale der Patient:innen in den Vordergrund. Erfahrungsgemäß, fügte Dr. Engl hinzu, führe die Visite zu einem besseren Ergebnis, wenn Patient:innen ihre Wünsche und Präferenzen äußern und gleichzeitig Verantwortung übernehmen. Die Kurzvideos sollten die Botschaft vermitteln, dass Patient:innen selbst enorm wichtig für ein gelungenes Behandlungsgespräch sind. „Es ist das Ziel dieser Sensibilisierungskampagne, die Ressource „Patient:in“ zu stimulieren und zu fördern“, erklärte Dr. Engl bei der Pressekonferenz.
Die Sensibilisierungskampagne wird vom Südtiroler Sanitätsbetrieb unterstützt. „Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin oder Patienten ist die Basis jeder Behandlung. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen das Misstrauen gegenüber Institutionen und Wissenschaft bei manchen größer ist, als das Vertrauen, ist es wichtig, diesen Aspekt besonders hervorzuheben,“ sagte Sanitätsdirektor, Dr. Josef Widmann nach der Vorstellung der Videos.
Der Hintergrund:
Angeregt wurde die Videokampagne von einer multimethodischen Untersuchung zur Qualität der Arzt-Patient-Interaktion. Die Untersuchung wurde im Jahr 2018 von der Forschungseinrichtung Apollis, im Auftrag der Freien Universität Bozen, durchgeführt. Für die Studie waren 506 Patient:innen und 109 Hausärztinnen und Hausärzte befragt worden. Die Umfrage kam zum Ergebnis, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Patient:innen unterschiedliche Erwartungshaltungen und Wünsche an ein Arzt-Patienten-Gespräch haben. Besonders Patient:innen hatten laut der Umfrage die Bedeutung ihres Eigenbetrags unterschätzt.
Diese und weitere Ergebnisse waren in eine Sensibilisierungskampagne eingeflossen, mit der das Institut gezielt die Ressource „Patient:in“ stärken wollte, um so wiederum das Arzt-Patienten-Gespräch positiv zu verändern.
Die Umsetzung und Finanzierung der Kampagne hatte anschließend die Freie Universität Bozen übernommen. „Die Universität ist immer darum bemüht, der Bevölkerung Forschungsergebnisse zugänglich zu machen“, betonte Prof. Walter Lorenz, der ehemalige Rektor der Freien Universität Bozen, im Rahmen der heutigen Pressekonferenz. Diesem wichtigen Auftrag kam und komme die Universität Bozen nach, ganz besonders im Bereich der Gesundheits- und Sozialforschung.
Startschuss für die Sensibilisierungskampagne
Die Inhalte der zweisprachigen Kurzvideos wurden großteils von der Humanbiologin und Wissenschaftlerin am Institut, Dr. Barbara Plagg, erarbeitet und von Grafikdesigner Hannes Pasqualini umgesetzt.
Ab dem 1. Dezember 2021 werden sie regelmäßig auf den Monitoren der Wartesäle in den Südtiroler Krankenhäusern und auf den Monitoren in den Regionalzügen in Südtirol gezeigt.
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