Italien hat die vierte Impfdosis – also die zweite Auffrischimpfung – für alle Personen über 80 sowie für Risikopatienten über 60 freigegeben. Lesen Sie hier welche Gründe für eine vierte Dosis sprechen:
Dieser Beitrag ist Teil der Covid-19-Beratung für Allgemeinmediziner:innen. Anhand neuester Informationen der internationalen wissenschaftlichen Institute und aktueller Studienergebnisse beantwortet das Forschungsteam des Instituts laufende Fragen rund um das Coronavirus. Die Antworten werden auf dem Blog veröffentlicht und stehen allen Interessierten zur Verfügung.
Die vierte Dosis (die zweite Auffrischungsdosis) mit den Impfstoffen Comirnaty von Pfizer oder Spikevax von Moderna ist von der FDA in den USA für Erwachsene über 50 Jahre zugelassen worden. Laut EMA und ECDC in Europa sind bei Erwachsenen ab 60 Jahre und mit einem normalen Immunsystem die Beweise noch nicht schlüssig genug. Der Impfschutz gegen eine schwere Erkrankung nimmt nach drei Dosen nicht klar genug ab, dass eine vierte Dosis einen Mehrwert hätte. Es gebe aber auch keine Sicherheitsbedenken gegen eine zweite Auffrischungsimpfung.
Die Daten über das Nachlassen des Schutzes nach der dritten Dosis sind nach EMA und ECDC zwar auch bei sehr alten Menschen (Erwachsene über 80 Jahre) noch begrenzt. Trotzdem könne aufgrund der Fragilität dieser Bevölkerungsgruppe, der geringeren Immunantwort auf die Impfung und des höheren Risikos einer schweren COVID-19-Erkrankung bei ihnen eine vierte Dosis verabreicht werden, so EMA und ECDC am 6. April 2022. Italien hat sich dieser EMA und ECDC Empfehlung angeschlossen.
Ergebnisse aus Israel
Neueste Ergebnisse aus Israel vom 13. April 2022 zeigen inzwischen im Vergleich zu einer dritten Dosis besser, wie die vierte Dosis des Impfstoffs von Pfizer, die mindestens vier Monate nach der dritten Dosis verabreicht wurde, den Schutz bei Personen im Alter von 60 Jahren oder mehr erhöht – und zwar sowohl den Schutz vor einer lediglich PCR-bestätigten SARS-CoV-2-Infektion, einer symptomatischen Covid-19-Infektion und vor Covid-19-bedingter Hospitalisierung, als auch den Schutz vor schweren Covid-19-Infektionen und Covid-19-bedingten Todesfällen.
In den Tagen 7 bis 30 nach einer Impfung mit der vierten Dosis wurden Covid-19-bedingte Krankenhausaufenthalte wegen Omicron gegenüber Personen mit nur drei Impfdosen signifikant verhindert (1,8 Fälle pro 1000 Geimpfte). Wie lange der Schutz anhält, werden Nachbeobachtungsdaten in absehbarer Zeit beurteilen lassen.
Schon am 5. April 2022 veröffentlichte Daten zeigten, dass die Zahl bestätigter SARS-CoV-2-Infektionen und schwerer Covid-19-Erkrankungen nach einer vierten Dosis von Comirnaty niedriger war als nach nur drei Dosen. Der generelle Schutz vor einer bestätigten Infektion (PCR-Test-Positivität) war zwar nur von kurzer Dauer und nach zwei Monaten nicht mehr nachweisbar. Aber vor schweren Erkrankungen war der Schutz anhaltend und nahm während des Studienzeitraums von 8 Wochen nach der vierten Dosis sogar zu.
Es gibt also ausreichend Ermessensspielraum für individuelle Entscheidungen gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten. Die Frage stellt sich exemplarisch, ob ich mir als 67-Jähriger mit normalem Immunsystem nicht jetzt schon eine vierte Dosis wünschen sollte oder damit noch warte, bis es zum Beispiel wieder einen stärkeren Infektionsanstieg gibt?
Gründe für eine vierte Dosis
Folgende Gründe sprechen für mich schon jetzt für eine vierte Dosis: Ich hatte noch kein COVID-19. Meine erste Auffrischungsimpfung ist 6 Monate her und die Antikörper-Titer gegen Omicron sind wahrscheinlich niedrig bis nicht vorhanden. Natürlich werden mich meine Gedächtnis-B- und T-Zellen vor schwerer Krankheit und Tod schützen. Trotzdem wäre es mir lieber, ich würde COVID-19 gar nicht erst bekommen. Da Omicron BA.2 trotz der Jahreszeit nur langsam abfällt, die Dunkelziffer von Infektionen hoch ist und Freunde und Bekannte das Tragen von Masken und soziale Distanzierung zunehmend aufgeben, steigt mein Risiko, COVID-19 zu bekommen. Die Impfung ist nach wie vor der beste Weg, um mich nicht mit SARS-CoV-2 anzustecken.
Die Szenarien
Die Winterwelle wird wahrscheinlich im November beginnen, es sei denn, es tritt vorher eine noch resistentere Virusvariante auf. Meine Immunität wird im November noch weiter abgenommen haben. Möglicherweise komme ich, gegen den Winter hin, dann zwar für eine weitere Auffrischungsimpfung oder sogar für einen Omicron-spezifischen Impfstoff in Frage (der sich hervorragend gegen Omicron, aber wahrscheinlich weniger gut gegen andere Varianten eignet). Wenn das der Fall ist, würde ich wahrscheinlich vor der Winterwelle erneut geimpft werden.
Sollte keine weitere Impfdosis verfügbar sein, könnte zumindest Paxlovid zur Verfügung stehen: Kurz nach der Infektion für fünf Tage verabreicht, blockiert Paxlovid sofort die Replikation von SARS-CoV-2. Es ist bemerkenswert wirksam.
Das Fazit
Um auch weiterhin nicht COVID zu bekommen, würde ich, wenn es geht, lieber jetzt die zweite Auffrischungsimpfung machen, da ja auch Paxlovid noch knapp ist. Sollte es im kommenden Winter trotzdem auch bei mir zu einer Durchbruchsinfektion kommen, dann hätte mein Immunsystem so ein aufgefrischtes Gedächtnis für SARS-CoV-2. Und ich könnte, wenn ich dann auch sofort mit Paxlovid beginnen könnte, wahrscheinlich mit einer nur mehr sehr kurzen Krankheit davonkommen.
Ich möchte die Durchbruchsinfektion so lange wie möglich hinauszögern und trage dafür zusätzlich auch weiterhin Maske und halte Abstand, besonders wenn ich das Infektionsrisiko im zwischenmenschlichen Kontakt nicht ausreichend einschätzen kann.
Für das Institut Christian Wiedermann, Internist und Wissenschaftler am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health.
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