Fibromyalgie (auch Fibromyalgiesyndrom genannt) ist eine chronische Schmerzerkrankung, die sich durch Schmerzen in verschiedenen Körperregionen äußert. Die Schmerzen können auf der Haut, in den Muskeln und Gelenken spürbar sein. Andere typische Beschwerden sind Schlafstörungen, Müdigkeit, schnelle körperliche wie geistige Erschöpfung und Konzentrationsprobleme, berichtet das Portal Gesundheitsinformation.de.
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Obwohl die Fibromyalgie seit 30 Jahren als Erkrankung anerkannt ist, wird Betroffenen manchmal auch heute noch vorgeworfen, sich ihre Beschwerden nur einzubilden. Das hat auch damit zu tun, dass nur wenige Menschen das Erkrankungsbild kennen und die Beschwerden für Gesunde schwer nachvollziehbar sind. Dies ist oft eine zusätzliche Belastung.
Menschen mit Fibromyalgie wird manchmal gesagt, dass man nichts gegen die Schmerzen tun könne. Studien zeigen jedoch, dass es durchaus Behandlungen gibt, die die typischen Beschwerden lindern können. Außerdem kommen viele Erkrankte mit der Zeit mit ihren Schmerzen besser zurecht. Sie finden heraus, welche Aktivitäten sie sich zumuten können – und wann es besser ist, kürzer zu treten.
Gut zu wissen: Eine Fibromyalgie ist nicht gefährlich. Die Organe sind gesund und die Erkrankung hat keinen Einfluss auf die Lebenserwartung.
Symptome
Fibromyalgie äußert sich vor allem durch chronische tiefliegende Muskelschmerzen in verschiedenen Körperregionen. Die Schmerzen fühlen sich oft an wie eine Muskelzerrung oder ein heftiger Muskelkater. Sie sind häufig unberechenbar und können jeden Tag anders sein, zum Beispiel unterschiedlich stark, oder sie treten an verschiedenen Stellen im Körper auf. Dies macht es Menschen mit Fibromyalgie schwer, etwas zu planen – ob alltägliche Aktivitäten wie Einkaufen oder einen Ausflug. Bei manchen Menschen lassen die Beschwerden tagsüber für einige Stunden nach, sodass sie in dieser Zeit etwas erledigen können.
Schlechter, nicht erholsamer Schlaf, Müdigkeit und Erschöpfung sind weitere typische Beschwerden einer Fibromyalgie. Viele Betroffene haben manchmal Probleme, klare Gedanken zu fassen, sich Dinge zu merken, Worte zu finden oder sich zu konzentrieren. Dies wird auch als „fibro fog“ bezeichnet (Englisch für „Fibro-Nebel“).
Ursachen
Man weiß inzwischen, dass die Schmerzverarbeitung im Gehirn bei Fibromyalgie gestört ist. Deshalb ist die Schwelle, ab der Reize als Schmerzen empfunden werden, bei Menschen mit Fibromyalgie niedriger als bei anderen Menschen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass mehrere Faktoren für eine Fibromyalgie verantwortlich sind. Sie vermuten, dass die Erkrankung durch eine Mischung aus genetischen Faktoren und körperlichen oder psychischen Belastungen ausgelöst wird, die zu Veränderungen in der Schmerzverarbeitung führen.
Häufig wird Fibromyalgie als „Weichteilrheuma“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da die Schmerzen weder von den Weichteilen (zum Beispiel den Muskeln) ausgehen noch auf einer rheumatischen Erkrankung beruhen. Zudem ist „Weichteilrheuma“ ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen und keine eigene Krankheit.
Häufigkeit
Eine Fibromyalgie entwickelt sich meist über längere Zeit. Viele Betroffene haben schon lange diffuse Schmerzen oder andere Schmerzerkrankungen, bevor die Diagnose Fibromyalgie gestellt wird. Dazu gehören ein Reizdarmsyndrom, Rücken-, Nacken-, Kiefer- und Kopfschmerzen sowie bei Frauen starke Regelschmerzen, Endometriose oder eine chronische Form der Blasenentzündung (die interstitielle Zystitis). Manche hatten bereits in der Kindheit und Jugend häufig mit Kopf-, Bauch-, Muskel- oder Gelenkschmerzen zu tun.
Welche Beschwerden auftreten und wie stark sie ausgeprägt sind, ist sehr unterschiedlich. Phasen mit stärkeren Schmerzen können sich mit fast beschwerdefreien Phasen abwechseln.
In einer großen Studie, in der Menschen mit Fibromyalgie über mehr als zehn Jahre untersucht wurden, nahmen die Beschwerden bei 25 % der Teilnehmenden mit der Zeit etwas ab. Bei 10 % gingen sie sogar deutlich zurück. Bei den meisten Menschen blieben die Beschwerden aber langfristig auf einem ähnlichen Niveau.
Viele Menschen mit Fibromyalgie haben zusätzlich mit körperlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen zu tun.
Folgen
Eine Fibromyalgie kann sehr belastend sein und viele Lebensbereiche beeinträchtigen. Aufgrund der Schmerzen und schnellen Erschöpfung erfordern einfache Tätigkeiten wie Aufräumen oder Einkaufen viel Kraft. Selbst gemeinsame Aktivitäten mit der Familie oder mit Freunden, die eigentlich Freude bereiten, können zur Anstrengung werden.
Manche Betroffene entwickeln zudem ein schlechtes Gewissen, weil sie weniger belastbar sind als andere. Sie haben das Gefühl, ihren Verpflichtungen in der Familie oder bei der Arbeit nicht mehr nachkommen zu können. Manchmal wird ihnen auch vorgeworfen, „zu bequem“ zu sein. Dies kann Gefühle der Unzulänglichkeit noch verstärken. Offen mit der Erkrankung umzugehen und sie anderen zu erklären, ist eine Möglichkeit, Missverständnissen möglichst vorzubeugen oder sie aus der Welt zu schaffen.
Diagnose
Es dauert oft mehrere Jahre, bis eine Fibromyalgie festgestellt wird. Zum einen beginnen die Schmerzen schleichend oder auch nur an einer Körperstelle, sodass häufig zunächst an eine andere Erkrankung gedacht wird. Zum anderen zögern viele Ärztinnen und Ärzte mit der Diagnose, weil sie nicht durch Laborwerte oder Röntgenbilder bestätigt werden kann. Dies kann zu Fehldiagnosen und mangelndem Verständnis führen. Häufig fühlen sich Betroffene nicht ernst genommen oder haben das Gefühl, die Ärztin oder der Arzt glaubt, ihre Beschwerden seien nur eingebildet. Oft wird Fibromyalgie erst in einer rheumatologischen oder schmerzmedizinischen Praxis festgestellt.
Um festzustellen, ob jemand an Fibromyalgie erkrankt ist, sind ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch und eine körperliche Untersuchung erforderlich. Der sogenannte Fibromyalgie-Symptom-Fragebogen kann dabei helfen, die Beschwerden zu erfassen. Es könnte sich um Fibromyalgie handeln, wenn in den drei Monaten vor der Untersuchung mindestens 7 von 19 festgelegten Körperbereichen geschmerzt haben. Dazu gehören die Brust und der Bauch, der Rücken sowie Kiefer, Schultern, Ober- und Unterarme, Hüften, Ober- und Unterschenkel – jeweils auf beiden Körperseiten.
Zusätzlich müssen andere Symptome hinzukommen wie:
- Konzentrationsprobleme
- Erschöpfung
- Morgenmüdigkeit
- Magenschmerzen oder -krämpfe
- Kopfschmerzen
- Depressionen
Diese zusätzlichen Symptome erreichen bei einer Fibromyalgie einen bestimmten Schweregrad und bestehen zusammen mit den Schmerzen seit mindestens drei Monaten.
Außerdem gibt es keine andere körperliche Erkrankung, die die Beschwerden erklärt.
Manchmal wird die Diagnose auch anhand von sogenannten „Tender Points“ gestellt. Dies sind umschriebene Schmerzpunkte, die empfindlich auf Druck reagieren. Diese Untersuchung ist aber sehr subjektiv und bei Männern weniger verlässlich.
Um andere Erkrankungen als Ursache auszuschließen, empfehlen medizinische Fachgesellschaften eine gründliche Analyse der Krankheitsgeschichte, eine körperliche Untersuchung sowie verschiedene Blutuntersuchungen, unter anderem zur Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels. Dadurch lassen sich andere mögliche Ursachen der Beschwerden wie rheumatoide Arthritis, eine Schilddrüsenunterfunktion, Muskelerkrankungen und psychische Ursachen ausschließen. Außerdem ist es wichtig, gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt alle Medikamente zu überprüfen, die man einnimmt. Denn Mittel wie etwa Protonenpumpenhemmer oder Statine können – wenn auch selten – zu Muskelschmerzen führen.
Weitere Untersuchungen sind nur bei einem konkreten Verdacht auf eine bestimmte Erkrankung sinnvoll, oder wenn andere Beschwerden hinzukommen. Viele Menschen mit Fibromyalgie werden zu oft untersucht – weil die Diagnose Fibromyalgie von Ärztinnen und Ärzten nicht in Erwägung gezogen wird oder weil sie selbst glauben, dass ihre Beschwerden eine andere, „handfeste“ Ursache haben müssen. Dies kann zu unnötigen Behandlungen führen, wenn eine vermeintliche Ursache gefunden wird, die gar nichts mit den Beschwerden zu tun hat. So werden Menschen mit Fibromyalgie zum Beispiel deutlich häufiger am Rücken operiert als andere.
Behandlung
Studien zeigen, dass Bewegung und leichter Sport wie Radfahren oder Walking das Wohlbefinden verbessern, den Körper stärken und Schmerzen etwas lindern können. Sie sind daher ein wichtiger Teil der Behandlung.
Viele Menschen mit Fibromyalgie vermeiden körperliche Aktivitäten allerdings aus Angst, die Schmerzen zu verstärken oder sich zu übernehmen. Es gibt jedoch Hinweise, dass Bewegung solche Ängste verringern kann.
Bestimmte Medikamente können Fibromyalgie-Schmerzen bei manchen Menschen deutlich lindern. Bei ihnen haben sich die Medikamente Amitriptylin, Duloxetin und Pregabalin in Studien als wirksam erwiesen. Sie beeinflussen bestimmte Botenstoffe, die auch die Schmerzwahrnehmung steuern. Die Mittel wurden ursprünglich zur Behandlung von Depressionen oder Epilepsie entwickelt. Bei Fibromyalgie werden sie aber nicht wegen ihrer antidepressiven oder antiepileptischen Wirkung eingesetzt. Von herkömmlichen Schmerzmitteln wie Diclofenac, Ibuprofen oder Paracetamol wird bei Fibromyalgie in der Regel abgeraten.
Bestimmte physikalische Therapien, insbesondere Thermalbäder, werden von vielen Menschen mit Fibromyalgie als angenehm empfunden. Manche beschreiben auch Saunagänge oder sanfte Massagen als erleichternd.
Vor allem bei starken Beschwerden kann eine multimodale Schmerztherapie sinnvoll sein. Dabei werden Bewegung, Entspannung und Methoden zur Schmerzbewältigung aus der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) miteinander kombiniert. Eine KVT und andere psychotherapeutische Verfahren können dabei helfen, im Alltag besser mit Schmerzen und anderen Beschwerden zurechtzukommen. Auch Medikamente können Teil einer multimodalen Schmerzbehandlung sein.
Wenn zugleich andere Erkrankungen wie Arthritis oder psychische Probleme wie Depressionen bestehen, ist es wichtig, auch diese behandeln zu lassen.
Leben und Alltag
Was Menschen mit Fibromyalgie guttut und wie sie mit den Beschwerden umgehen, ist sehr unterschiedlich. Über die Zeit eigene Strategien zum Umgang mit der Erkrankung zu entwickeln, ist für das Wohlbefinden vielleicht am wichtigsten. Das bedeutet, zu lernen, mit den Beschwerden besser zurechtzukommen – statt seine Kraft darauf zu verwenden, gegen die Erkrankung anzukämpfen. Hilfreich ist zum Beispiel,
- zu überdenken, was im Alltag wirklich wichtig ist,
- nicht nach Perfektion zu streben und
- seine Grenzen zu erkunden und zu beachten.
Das kann zum Beispiel heißen, für anstrengende Tätigkeiten von vornherein mehr Zeit einzuplanen und sie durch regelmäßige Pausen zu unterbrechen. Zusätzlich kann man verschiedene Methoden zur Entspannung und Stressbewältigung ausprobieren, etwa autogenes Training oder progressive Muskelentspannung.
Vieles ist trotz Fibromyalgie möglich. Wichtig ist, sich nicht daran hindern zu lassen, Dinge zu tun, die Freude bereiten. Dies gilt auch für soziale Kontakte und Aktivitäten. Nicht zuletzt kann der Austausch mit anderen Betroffenen, die die Probleme kennen, sehr hilfreich sein – etwa in einer Selbsthilfegruppe.
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