Stella Kyriakides, Europäische Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, äußert sich in der aktuellen Newsletter für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zu einem Thema, das allzu oft unter den Teppich gekehrt wird: psychische Gesundheit. Die Europäische Kommission unterstützt Länder bei ihren Bemühungen zur Stärkung der psychischen Widerstandsfähigkeit und der Verbesserung der psychischen Gesundheit. Eines unserer Ziele ist die Bekämpfung der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen.
Was sind die Kosten psychischer Erkrankungen?
Mental gesund zu bleiben, ist meiner Ansicht nach eine lebenslange Aufgabe. Psychische Gesundheit ist die Voraussetzung für ein glückliches, erfülltes und produktives Leben. Doch laut dem Bericht „Health at a Glance Europe“ für 2018 hat einer von sechs Menschen in der EU bereits mit einem psychischen Gesundheitsproblem zu kämpfen gehabt.
Die Menschen, die mit psychischen Erkrankungen leben, sind benachteiligt. Sie haben Schwierigkeiten in Schule und Beruf und sind deshalb eher arbeitslos – was sich wiederum nachteilig auf ihre körperliche Verfassung auswirkt. Bei manchen können psychische Erkrankungen sogar einen frühzeitigen Tod zur Folge haben: Im Jahr 2015 waren über 84 000 Todesfälle in den EU-Ländern auf psychische Ursachen zurückzuführen.
Bei psychischen Problemen kann es sich um Essstörungen, Angstzustände und Depressionen, aber auch um Zwangsneurosen, Autismus und bipolare Störungen handeln. Diese Gesundheitsprobleme beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität und führen zu Brüchen in der Biographie – sie sind auch eine Belastung für das Gesundheitssystem, verursachen hohe Kosten für die Sozialversicherung und wirken sich negativ auf Beschäftigung und Produktivität aus. Im Bericht „Health at a Glance Europe“ für 2018 wurden die Gesamtkosten psychischer Erkrankungen in den 28 EU-Ländern auf über 4 % des BIP geschätzt. Das entspricht 600 Milliarden Euro – Tendenz steigend.
Die wirtschaftlichen Folgen und auch die stressbedingten Probleme im Zusammenhang mit der Pandemie werden uns noch lange verfolgen. Die nach wie vor durch COVID-19-Patienten überlasteten Gesundheitssysteme werden kurzfristig nicht in der Lage sein, das Angebot für die psychische Gesundheit zu verbessern. Hinzu kommen seit Kurzem Berichte über erhebliche psychiatrische und neurologische Schäden bei Patienten mit COVID-19-Diagnose.
Weitere Schlagzeilen aus der Mai Newsletter für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Coronavirus: Kommission unterzeichnet dritten Vertrag mit BioNTech-Pfizer über 1,8 Milliarden zusätzliche Dosen Digitales COVID-Zertifikat der EU: Europäisches Parlament und Rat erzielen Einigung über den Vorschlag der Kommission Covid-19: Weltgesundheitsgipel in Rom
Wie hat sich die COVID-19-Pandemie auf die mentale Gesundheit der Menschen ausgewirkt?
Seit fast eineinhalb Jahren werden unsere physische Gesundheit, unsere Lebensgrundlagen und unsere Wirtschaft durch COVID-19 bedroht.
Die Pandemie bedeutet langfristigen Dauerstress für uns alle. Wir haben geliebte Menschen verloren, wir vermissen Freunde und Familie, wir fürchten um unsere Gesundheit, unseren Lebensstandard und unsere Zukunft.
Stella Kyriakides, Europäische Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
Jede Welle von Virusinfektionen hat neue Herausforderungen mit sich gebracht. Ich würde sogar sagen: Eine unsichtbare psychische Gesundheitsgefahr baut sich in der Europäischen Union und darüber hinaus auf – wie eine stille Pandemie.
Menschen aus stärker gefährdeten Gruppen konnten am Anfang des Monats auf einer Konferenz zum Thema „Psychische Gesundheit und Pandemie: leben, pflegen, handeln!“ über ihre Erfahrungen berichten. Bei den Diskussionen ging es nicht nur um die Probleme, sondern auch um deren Bewältigung und um hilfreiche Strategien. Wir haben die Beiträge zusammengetragen und zur Inspiration auf unserer Website veröffentlicht, genauer gesagt auf dem von der Lenkungsgruppe für Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und Management von nicht übertragbaren Krankheiten verwalteten Best Practice Portal, das eine Fülle bewährter Verfahren im Bereich psychische Gesundheit verfügbar macht. Auch die Plattform für Gesundheitspolitik der Europäischen Kommission ist eine wertvolle Ressource für Fragen der psychischen Gesundheit und andere Gesundheitsfragen. Sie ermöglicht es Interessenträgern, sich zu vernetzen und Ideen auszutauschen.
Seit über 15 Jahren arbeiten wir mit EU-Ländern und Interessenträgern zusammen, um mentale Gesundheit zu fördern, psychischen Krankheiten vorzubeugen und Patientinnen und Patienten Zugang zu Behandlungen zu ermöglichen. Wir haben gemeinsam eine solide Grundlage aufgebaut, die selbst einer Pandemie standhalten kann und auf die wir uns auch in Zukunft verlassen können.
Welche Rolle spielt die psychische Gesundheit in der künftigen EU-Strategie?
Konkrete Ziele im neuen Programm EU4Health sind zum Beispiel Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit in Schulen, Unterstützung von Angehörigen der Gesundheitsberufe und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Im Rahmen des laufenden Gesundheitsprogramms wird die Kommission eine neue Gemeinsame Maßnahme im Bereich psychische Gesundheit mit bis zu 5 Mio. Euro kofinanzieren und zwei ausgewählte bewährte Verfahren übertragen und umsetzen: eine Reform des Systems der psychischen Gesundheit, mit der gemeindenahe Dienste unterstützt werden, und ein nationales Programm zur Suizidprävention. Das Projekt soll in diesem Jahr anlaufen.
Überdies arbeiten wir bereits an Möglichkeiten, die Art und Weise zu ändern, wie wir über psychische Erkrankungen denken. Wir wollen die Stigmatisierung überwinden. Deshalb haben wir die psychische Gesundheit auch in unseren laufenden Arbeiten mit den Mitgliedstaaten und im Rahmen der europäischen Säule sozialer Rechte nicht vergessen.
Das Zitat „Mens sana in corpore sano“ – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper – gehört zur Allgemeinbildung. Wir vergessen jedoch allzu oft den Aspekt des gesunden Geistes. Lassen Sie uns das ändern.
Stella Kyriakides
Wichtig zu wissen: Die einzelnen Artikel des Online-Gesundheitsportals werden nicht aktualisiert. Ihre Inhalte stützen sich auf Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Belege, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung verfügbar sind. Gesundheitsinformationen aus dem Internet können eine persönliche ärztliche Beratung nicht ersetzen. Informieren Sie Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin über mögliche Beschwerden.