In den Sommermonaten hat das Interesse am Thema „Corona“ in Südtirol abgenommen – und das, obwohl die Omikron-Sommerwelle zu vielen symptomatischen Infektionskrankheiten geführt hat. Prof. Dr. Christian Wiedermann vom Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen empfiehlt, die Corona-Risiken nicht auszublenden und die neuen Impfangebote anzunehmen.
„Laut aktuellen Umfragen sind Personen, die bewusst auf eine Impfung verzichtet haben (No-Vax), auch künftig an keinem Impfschutz interessiert. Beunruhigender für mich ist derzeit jedoch, dass die geltenden Impfempfehlungen selbst bei den relevanten Corona-Risikogruppen nicht mehr ausreichend bekannt sind. Doch die Pandemie ist noch nicht vorbei“, zeigt sich Prof. Dr. Christian Wiedermann besorgt. Der Koordinator der Forschungsprojekte am Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen bietet daher einen Überblick über die bivalenten Impfstoffe, die ab September in Südtirol als Auffrischungsimpfungen zum Einsatz kommen.
Was sind bivalente Impfstoffe?
- „Bivalent“ bedeutet, dass der Impfstoff eine Reaktion unseres Immunsystems gegen zwei verschiedene Antigene oder Viren auslöst. Ein Antigen ist ein Stoff, den unser Organismus als fremd oder verändert wahrnimmt. Antigene führen zur Bildung von Antikörpern, sie lösen entsprechende Reaktionen in unseren Immunzellen aus – das führt dann zu einer Immunabwehr des fremden Stoffes.
- Im Falle des bivalenten Coronavirus-Impfstoffs reagiert die Immunabwehr auf zwei verschiedene Typen des Virus, darunter eine Omikron-Variante.
Vor welcher Corona-Variante schützen diese neuen Impfstoffe?
- Die neuen bivalenten Impfstoffe schützen vor der Omikron-Variante BA.1 und vor dem in Wuhan/China identifizierten (also „ursprünglichen“) Coronavirus.
- Die bivalenten Impfstoffe, die nun in Südtirol verimpft werden, zielen nach wie vor auf das Spike-Protein der Viren ab, darunter auch das von der Omikron- Untervariante BA.1.
- Wenn die Hälfte der Menschen durch eine frühere Impfung oder Infektion gegen eine symptomatische Infektion geschützt ist, so erhöht eine bivalente Auffrischungsimpfung den Schutz auf 90 Prozent. Eine Auffrischungsdosis des ursprünglich verabreichten Impfstoffs erreicht im Vergleich dazu einen 86-prozentigen Schutz.
Wer sollte sich jetzt mit einem bivalenten Impfstoff impfen lassen?
- Menschen mit eingeschränktem Immunschutz und alle Über-60-Jährigen weisen das höchste Risiko auf, eine schwere Krankheit nach einer Corona- Infektion zu entwickeln. Prof. Wiedermann empfiehlt ihnen dringend die Auffrischungsdosis.
- Auf ärztlichen Rat oder auf eigene Entscheidung hin können auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger ab dem 12. Lebensjahr mit der Auffrischungsdosis geimpft werden. Mit dieser Empfehlung werde in Italien erstmals ein Rahmen für individuelle Entscheidungen geschaffen, erläutert Prof. Christian Wiedermann.
- Die Omikron-Variante hat spezielle Eigenschaften. Daher empfiehlt Prof. Wiedermann allen Über-12-Jährigen dringend die erste Auffrischungsdosis, die bisher nur den initialen Impfzyklus erhalten haben. Das gilt auch für jene Menschen, die parallel zum ersten Impfzyklus eine Corona-Infektion durchgemacht haben.
- Wer nur zwei initiale Impfungen (oder den Impfstoff von Johnson & Johnson) erhalten und eine Corona-Infektion durchgemacht hat, sollte trotzdem die erste Auffrischungsdosis ins Auge fassen, sobald seit der Infektion (Datum des positiven Tests) 120 Tage vergangen sind.
- Personen, deren erste Auffrischungsdosis schon mehr als 90 Tage zurückliegt, können sich für die zweite Auffrischungsdosis (4. Stich) vormerken. Prof. Wiedermann empfiehlt das vor allem jenen Bürgerinnen und Bürgern, deren Risiko für Ansteckung oder schwere Infektionsverläufe erhöht ist, solchen mit größerer Nähe zu Personen mit erhöhtem Erkrankungsrisiko und Schwangeren.
Steht Südtirol eine Corona-Herbstwelle bevor?
Europaweit gehen die meisten Epidemiologen von einer Herbst- und Winterwelle aus. Selbst leichte Krankheitsverläufe könnten beträchtliche Arbeitsausfälle zur Folge haben. „Südtirols Institut für Allgemeinmedizin und Public Health hat heuer schon vor der absehbaren Omikron-Sommerwelle auf die Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen aufmerksam gemacht“, erinnert Prof. Christian Wiedermann. Noch könne das Ausmaß einer Herbst- oder Winterwelle in Südtirol nicht abgeschätzt werden. „Es ist zu hoffen, dass sich Italien für eine neue Impfkampagne entscheidet – und damit auch Südtirol. Eine solche Kampagne sollte sich auf eine Auffrischung der Informationen über die Vorteile der Schutzimpfungen konzentrieren. Gerade der Mangel an Wissen seitens vieler Bürgerinnen und Bürger ist nach wie vor der ausschlaggebende Grund für zögerliches Impfverhalten. Ohne Erhöhung des ,Corona-Risikobewusstseins’ wird uns die Pandemie in Form weiterer Wellen noch länger erhalten bleiben“, gibt Prof. Christian Wiedermann zu bedenken.
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