Welche psychosozialen Folgen haben die COVID-19-Pandemie, der Krieg in der
Ukraine und die globale Klimakrise für die gesundheitsbezogene Lebensqualität
und die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen? Das Institut für
Allgemeinmedizin und Public Health Bozen will mit der 3. COP-S-Studie
(„Corona und Psyche in Südtirol“) Antworten auf diese Frage finden. Alle
Familien mit einem Kind, das eine Südtiroler Schule besucht, können vom 13.
bis zum 30. April 2023 an der Befragung teilnehmen.
Die Ergebnisse der bisherigen Studien
,COP-S‘ steht für ,Corona und Psyche in Südtirol‘. Die ersten beiden Untersuchungen
wurden 2021 (7.000 eingereichte Fragebögen) und 2022 (9.000 eingereichte Fragebögen)
unter Südtirols Eltern und Jugendlichen durchgeführt. Die Auswertung der Daten
bestätigte eine starke Zunahme der psychosozialen Belastungen wegen der Corona-
Ausnahmesituation. Als Langzeitfolgen der COVID-19-Pandemie wurden das vermehrte
Auftreten von psychosomatischen Problemen und der Anstieg von psychosozialen
Verhaltensauffälligkeiten festgestellt. „Weltweit und vor allem in Europa verdoppelten sich
während der akuten Phase der Coronapandemie die Hinweise auf psychische
Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu vorher“, erklärt Dr. Verena
Barbieri, COP-S-Studienleiterin und Biostatistikerin am Institut für Allgemeinmedizin und
Public Health Bozen. Die Südtiroler Studien förderten ähnliche Daten zutage wie
vergleichbare Erhebungen in Deutschland. Von 2021 auf 2022 gab es unter Kindern und
Jugendlichen an Südtirols Schulen keine wesentliche Verbesserung der Hinweise auf
Angststörungen (ca. 27%), auf depressives Verhalten (ca. 15%) und auf
Verhaltensauffälligkeiten mit Gleichaltrigen (ca. 27%). „Vor allem bei Mädchen gab es
Anzeichen für Angststörungen und depressives Verhalten, mit dem Altern nahmen diese
Hinweise zu. Von Verhaltensauffälligkeiten mit Gleichaltrigen waren Buben etwas stärker
betroffen, mit dem Altern nahmen sie ab. Besonders betroffen waren Kinder, deren Eltern
pandemiebedingt beruflich stark belastet waren, Kinder von Alleinerziehenden und Kinder
und Jugendliche, bei denen es zuhause oft Streit gab. Auch der Migrationshintergrund
spielte eine kleine, aber doch deutliche Rolle“, betont Dr. Barbieri.
Die Fragestellung der 3. Studie
„Die dritte Erhebung soll die psychosoziale Situation von Südtirols Jugendlichen mit den
Ergebnissen der 2021 und 2022 durchgeführten Befragungen vergleichen. Neu ist, dass
die 3. Studie die psychosozialen Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der globalen
Klimakrise berücksichtigt“, erklärt Dr. Verena Barbieri. „Wir wollen herausfinden, ob und,wenn ja, wie sich die Faktoren, die die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die
mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beeinflussen, verändert haben“, so
Dr. Barbieri. „Die psychische Belastung von Kindern, Jugendlichen und Eltern ist nach wie
vor ein brisantes Thema. Deshalb hat unser Institut vor zwei Jahren die wissenschaftliche
Untersuchung dieser Fragestellung für Südtirol übernommen, um das Ausmaß des
Problems zu verstehen und in Zahlen zu fassen“, sagt Dr. Adolf Engl, Präsident des
Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen. „Nationale Studien in Italien, die
zur psychosozialen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen seit Ausbruch der COVID-
19-Pandemie durchgeführt wurden und werden, berücksichtigen aus sprachlichen
Gründen viele Südtiroler Schulen nicht. Es war dem Institut für Allgemeinmedizin daher ein Anliegen, eine Studie zur psychosozialen Lage der Kinder und Jugendlichen aller
Sprachgruppen durchzuführen“, betont Dr. Engl.
Die Erwartungen
Die Daten der dritten Befragung werden nach Alter, Geschlecht und Schulsprache
erhoben. Sie dienen als Handreichung für Maßnahmen zur Gesundheitsförderung an den
Schulen, im Sanitätswesen und in den Jugendorganisationen. „Ebenso können die
Ergebnisse der Studie Südtirols politischen Entscheidungsträger:innen Argumente für den
bedarfsorientierten Ausbau von Ressourcen im psychologischen und psychiatrischen
Dienst liefern“, betont COP-S-Studienleiterin Dr. Verena Barbieri. „Zudem sollen die
Daten Vertreter:innen aus Medizin und Psychologie dabei unterstützen, die eigenen
Ressourcen besser zu planen und gezielt auf in Südtirol vorherrschende Probleme zu
achten. In einer interdisziplinären Runde soll ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden,
der unserer Jugend die Möglichkeit bietet, die eigene Gesundheit besser wahrzunehmen
und diese gemeinsam mit Eltern, dem Lehr- und Gesundheitspersonal frühzeitig und
zielgerichtet zu verbessern“, bekräftigt Dr. Barbieri. Auch Institutspräsident Dr. Adolf Engl
hofft, „dass die aus unserer Befragung ableitbaren Erkenntnisse dazu führen können,
Entlastungs- und Unterstützungsmittel für Eltern, Jugendliche und Lehrer:innen in Südtirol zukunftsweisend zu entwickeln.“
Teilnahme an der Studie
Alle Eltern, deren Kinder eine Südtiroler Schule besuchen, können an der anonymen
Erhebung teilnehmen. Die Studie wird in Zusammenarbeit mit den Schulämtern der drei
Sprachgruppen durchgeführt. „Der vom Institut für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen ausgearbeitete Fragebogen liegt in deutscher und italienischer Sprache vor. Er wird den Eltern über die Schulen zugestellt. Jede Familie kann einen Fragebogen ausfüllen, es wird automatisch zufällig ein Kind ausgewählt. Es reicht, wenn ein Elternteil den Fragebogen ausfüllt“, erklärt Dr. Verena Barbieri. Für Jugendliche ab 11 Jahren gibt es im Anschluss an den Elternfragebogen einen eigenen Fragebogen. Dieser kann selbstständig oder mit Hilfe der Eltern ausgefüllt werden. Das Ausfüllen dauert ungefähr 15 Minuten für die Eltern und zehn Minuten für die Jugendlichen. Das Ausfüllen des Fragebogens kann jederzeit unterbrochen und später an derselben Stelle fortgesetzt werden.
Der Fragebogen kann vom 13. bis zum 30. April 2023 ausgefüllt werden.
Wichtig zu wissen: Die einzelnen Artikel des Gesundheitsblogs des Instituts für Allgemeinmedizin und Public Health Bozen werden nicht aktualisiert. Ihre Inhalte stützen sich auf Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Belege, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung verfügbar sind. Gesundheitsinformationen aus dem Internet können eine persönliche ärztliche Beratung nicht ersetzen. Informieren Sie Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin über mögliche Beschwerden. Weiter…