Während die Corona-Impfkampagnen voran schreiten, ändern Staaten immer wieder die Regelungen und Fristen rund um die Schutzimpfung. Welche Beweggründe gibt es dafür und was gilt aktuell? Das interdisziplinäre Forschungsteam des Instituts liefert einen Überblick:
Dieser Beitrag ist Teil der Covid-19-Beratung für Allgemeinmediziner:innen. Anhand neuester Informationen der internationalen wissenschaftlichen Institute und aktueller Studienergebnisse beantwortet das Forschungsteam des Instituts laufende Fragen rund um das Coronavirus. Die Antworten werden auf dem Blog veröffentlicht und stehen allen Interessierten zu Verfügung.
Alle Länder der Europäischen Union treiben mit Nachdruck ihre SARS-CoV-2 Impfkampagnen voran. Auf den Grundlagen der aktuellen epidemiologischen Situation, des Impfstoffangebots und der wissenschaftlichen Evidenz zur Virus- und Impfstoffleistung werden Impfpolitik und Strategien definiert und den sich ändernden Erfordernissen angepasst. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten – ECDC, eine Agentur der EU, hat gemeinsam mit der Europäischen Arzneimittel Agentur – EMA am 21. Juli 2021 eine aktualisierte Bewertung zur Sicherheit, Immunogenität, Effizienz und Effektivität der COVID-19-Impfstoffe abgegeben und dabei den Schwerpunkt auf drei Themen gelegt:
- Nur eine Impfdosis bei Pfizer/Biontech, Moderna und AstraZeneca,
- Impfung nach SARS-CoV-2-Infektion und
- Impfstoffmix bei zweiter Dosis.
Mit dieser Bewertung soll die laufende Entscheidungsfindung mit Bezug auf die nationalen Impfstrategien in den einzelnen EU Ländern unterstützt und das Vorgehen abgestimmt werden. Der ECDC-Bericht stellt die wissenschaftliche Datenlage umfassend dar und führt zu Schlussfolgerungen.
Die EMA hat zusätzlichen die Frage nach Auffrischungsimpfungen bei voll geimpften Personen diskutiert. Beide Positionen sollen hier zusammengefasst wiedergeben und mit den geltenden COVID-19-Impfempfehlungen von Italien verglichen werden.
Zweit-Dosis-Impfung ohne zweite Dosis
Wie lange die Schutzwirkung nach einer SARS-CoV-2 Impfung anhält, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Durch zwei Impfdosen von Comirnaty (Pfizer/Biontech), Spikevax (Moderna) oder Vaxzevria (AstraZeneca) wird ein deutlich besserer Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen und schweren COVID-19-Verläufen erreicht als wenn mit nur einer Dosis vom Zwei-Dosen-Schema abgewichen wird. Studien zeigen unabhängig vom Impfstofftyp, dass der Infektionsschutz bei nur teilweise geimpften Personen schwächer ist, besonders vor symptomatischen Infektionen durch die gefährlichere Deltavariante. Eine vollständige Impfung bietet gegen die besorgniserregende Deltavariante hingegen einen im Vergleich zur Alphavariante nahezu gleichwertigen Schutz. Diese Beobachtungen unterstützen die frühere Empfehlung des ECDC, dass im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung von Viren der Deltavariante eine vollständige Impfung so früh wie möglich erreicht und die zweite Impfdosis schon nach dem kürzest möglichen Intervall verabreicht werden sollte. Bevölkerungsgruppen mit dem höchsten Risiko sei auch dabei der Vorrang zu geben.
Impfung nach SARS-CoV-2-Infektion
Das Italienische Gesundheitsministerium hat am 21. Juli 2021 in der Aussendung (Protokollnummer 32719-21/07/2021-DGPRE) allen impfenden Ärztinnen und Ärzten für Personen mit einer früheren SARS-CoV-2-Infektion empfohlen, die Verabreichung einer einzelnen Dosis von Comirnaty, Spikevax oder Vaxzevria in Betracht zu ziehen, wenn die Imfung vorzugsweise innerhalb von 6 Monaten nach der Infektion und in jedem Fall nicht später als 12 Monate nach der Genesung gegeben werden kann. Nur Personen mit Immunschwächezuständen, ob primär oder sekundär zu einer pharmakologischen Behandlung, sei eine vollständige Impfung mit beiden Dosen anzubieten.
Bei zuvor infizierten Personen erzeugen Einzeldosis-Impfungen von Comirnaty, Spikevax oder Vaxzevria schützende Antikörper- und zelluläre Immunantworten, wie sie Personen ohne vorherige SARS-CoV-2-Infektion sonst nur nach voller Zwei-Dosen-Impfung erreichen. Wie lange der Immunschutz bei zuvor Infizierten mit Einzeldosis-Impfung anhält und wie gut weitere Infektionen verhindert werden, ist allerdings noch unzureichend belegt. Angesichts solcher Evidenzlücken empfehlen jetzt ECDC und EMA vorsichtshalber, auch bei zuvor infizierten Personen ebenfalls das Impfschema mit beiden Dosen einzuhalten. Und auch diese Empfehlung gilt wieder besonders für Personen, bei denen das Risiko für schwerwiegende Folgen nach einer SARS-CoV-2-Infektion erhöht ist.
Impfstoff-Mix
Studien zur heterologen Impfung („Mix and Match“) deuten darauf hin, dass die Zwei-Dosen-Impfung bei Kombinationen von Vaxzevria und einem der beiden mRNA-Impfstoffe eine robuste humorale Reaktion gegen SARS-CoV-2 induziert und eine höhere T-Zell-Reaktion hervorruft als homologe Kombinationen. Nach Verabreichung der heterologen zweiten Dosis ist zwar auch eine verstärkte Impfreaktion als Impfnebenwirkung beobachtet worden, ein „Mix and Match“ Behandlungsschema sie im Allgemeinen aber gut vertragen worden. Mehrere EU-Länder verwenden derzeit nach nationalen Protokollen solche heterologen Schemata, hauptsächlich mit einem mRNA-Impfstoff (Comirnaty oder Spikevax) nach der Erst-Dosis mit Vaxzevria. Aktuelle wissenschaftliche Daten berechtigen zur Annahme, dass diese „Off-Label“-Ansätze sicher sind und eine zufriedenstellende Immunantwort hervorrufen. Während laufende Forschungen noch weitere Belege für langfristige Sicherheit, Dauer der Immunität und Wirksamkeit des Vorgehens sammeln, erweitert der Einsatz heterologer Impfpläne schon jetzt die Impf-Optionen nicht nur für den Fall aufgetretener Nebenwirkungen nach der Erst-Dosis-Impfung, sondern zum Beispiel auch bei zweitweiser Einschränkung der Impfstoffverfügbarkeit oder sonstigen Hemmnissen.
Auffrischungsimpfung
Die EMA hat am 14. Juli 2021 verlautbart, dass noch nicht genügend Daten vorliegen, um aus Impfkampagnen und laufenden Studien auch unter Berücksichtigung der Ausbreitung von Virusvarianten sagen zu können, wie lange der Immunschutz nach kompletter Impfung anhält. Für den Fall, dass Auffrischungsdosen zukünftig erforderlich werden, überprüfen EMA, ECDC und nationale Impfgremien der EU Länder laufend alle neuen Erkenntnisse, um dann auch regulatorisch rasch entscheiden zu können. Die EMA arbeitet dafür mit Impfstoffentwicklern eng zusammen.
“Ob und wann eine Auffrischimpfung für COVID-19-Impfstoffe erforderlich ist, kann derzeit noch nicht gesagt werden.”
https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-ecdc-update-covid-19
Auffrischungsimpfungen bleiben bis auf Weiteres für Ausnahmefälle „off-label“ und letztlich auf immunsupprimierte Personen beschränkt, die trotz kompletter Impfung keine Spike-Protein-Antikörper und somit keinen nachweisbaren Immunschutz aufgebaut haben.
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