Der Konsum von Milch erhöht einigen Studien zufolge das Risiko für Brustkrebs. Andere Studien zeigen dagegen kein erhöhtes oder sogar ein reduziertes Brustkrebsrisiko. Der deutsche Krebsinformationsdienst hilft, die Ergebnisse der Studien einzuordnen.
Der Krebsinformationsdienst des deutschen Krebsforschungszentrums ist Ansprechpartner für alle Fragen zum Thema Krebs. Das Zentrum bietet wissenschaftlich fundierte Informationen über die Krankheit und berät Betroffene und Angehörige. Auf der Internetseite bietet der Dienst aktualisierte Informationen zum Thema Krebs. Diese Inhalte stellt der Krebsinformationsdienst dem Südtiroler Institut für Allgemeinmedizin und Public Health zur Verfügung.
Immer wieder berichten Medien von einem möglichen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und dem Risiko für Brustkrebs. Schlagzeilen, die ein erhöhtes Brustkrebsrisiko für Milchkonsumentinnen verkünden, verunsichern viele Leserinnen. Den Krebsinformationsdienst erreichen häufig Anfragen zum Krebsrisiko durch Milch. Was ist dran an diesen Aussagen? Welche Erkenntnisse zu Milchkonsum und Brustkrebsrisiko gibt es derzeit aus Studien? Und wie kann man Risiken so kommunizieren, dass sie verstanden werden?
Erhöht ein tägliches Frühstück mit Milch das Risiko für Brustkrebs?
Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob Milch das Risiko für Brustkrebs erhöht oder nicht, kann man derzeit nicht geben. Studien zum Thema haben unterschiedliche Ergebnisse erbracht. Wichtig zu wissen: Bislang gibt es nur Beobachtungsstudien, die lediglich Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang liefern können. Es fehlen Studien, die einen Zusammenhang sicher belegen könnten, etwa, indem sie den biologischen Mechanismus für eine eventuelle Risikoerhöhung aufklären.
Beobachtungsstudie mit Hinweis auf erhöhtes Brustkrebsrisiko
Hinweise darauf, dass Frauen, die Kuhmilch konsumieren, ein höheres Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken, gibt eine Beobachtungsstudie1. Die Studie ist Teil einer epidemiologischen Langzeitstudie (Adventist Health Study-2). Für diese Auswertung wurden rund 53.000 weibliche Mitglieder der Siebenten-Tags-Adventisten (einer protestantischen Freikirche) in den USA und Kanada zu Ernährung und Lebensstil befragt, um Risikofaktoren für Brustkrebs zu identifizieren.
Das Besondere an dieser Gruppe ist die vergleichsweise gesunde Ernährungs- und Lebensweise. Es gab einen hohen Anteil an Vegetarierinnen und Vegetariern (38 Prozent) und Veganerinnen und Veganern (8 Prozent), die viele Sojaprodukte zu sich nahmen. Nur ein sehr kleiner Anteil der Befragten rauchte oder trank Alkohol. Etwa die Hälfte der Teilnehmerinnen verzehrte allgemein übliche Mengen an Kuhmilch (USA: ca. 180 ml/Tag) und Milchprodukten.
Die Ergebnisse: Innerhalb von 8 Jahren nach Beginn der Studie wurde bei rund 2 Prozent der Teilnehmerinnen Brustkrebs diagnostiziert. Die Auswertung zeigte, dass Frauen, die regelmäßig viel Kuhmilch konsumierten, ein höheres Risiko hatten, an Brustkrebs zu erkranken.
- Frauen, die täglich ca. einen Viertelliter Milch tranken, hatten demnach ein etwa 50 Prozent höheres relatives Risiko zu erkranken – im Vergleich zu Frauen, die nur wenige Milliliter Milch pro Tag zu sich nahmen.
- Interessanterweise wurde kein Zusammenhang zwischen Milchprodukten wie Käse und Joghurt aus Kuhmilch und dem Brustkrebsrisiko festgestellt. Als mögliche Gründe hierfür werden zum Beispiel der geringere Anteil an Molkeprotein oder Hormonen diskutiert. Denkbar wäre aufgrund der Studienergebnisse auch ein Zusammenhang mit dem in Milchprodukten geringeren Laktosegehalt.
- Sojaprodukte führten ebenfalls nicht zu einer Risikoerhöhung. Im Gegenteil: Die Teilnehmerinnen, die statt Kuhmilch ähnliche Mengen an Sojamilch konsumierten, schienen ein geringeres Erkrankungsrisiko zu haben.
Kausaler Zusammenhang nicht bewiesen: Einen sicheren Zusammenhang zwischen dem regelmäßigen Konsum von Kuhmilch und Brustkrebs kann diese Studie nicht beweisen: Epidemiologische Studien sind reine Beobachtungsstudien, die allenfalls Hinweise auf mögliche Risikofaktoren liefern können. Ein ursächlicher Zusammenhang lässt sich daraus nicht ableiten.
Achtung – relatives Risiko: Außerdem muss man beachten, dass es sich bei den oft zitierten 50 Prozent um eine Erhöhung des relativen Risikos handelt. Das ist nicht mit dem absoluten Risiko zu verwechseln (siehe Infobox).
Zur Erläuterung: Das Lebenszeitrisiko einer Brustkrebserkrankung liegt für Frauen in den USA bei ca. 13 Prozent, das heißt 13 von 100 Frauen erkranken im Laufe des Lebens an Brustkrebs.
Da sich die Auswertung auf 8 Jahre beschränkte, in denen bei 2 Prozent der Teilnehmerinnen (also rund 1.100 von 53.000 untersuchten Frauen) unterschiedlichen Alters Brustkrebs auftrat, lässt sich der mögliche Einfluss auf das Lebenszeitrisiko nur schwer abschätzen. Laut Studienautor Gary E. Fraser könnte es für Frauen, die keine Kuhmilch trinken, bei 9 bis 10 Prozent liegen. Bei täglichem Genuss von einer großen Tasse Milch (knapp 240 ml) wäre eine Erhöhung auf 14 bis 15 Prozent möglich, das heißt etwa 1 bis 2 Prozent über dem Risiko der weiblichen Gesamtbevölkerung. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Anstelle von 13 von 100 Frauen würden bei hohem, täglichem Milchkonsum 14 bis 15 von 100 Frauen im Laufe des Lebens an Brustkrebs erkranken.
Auch wenden die Autoren der oben genannten Studie ein, dass bislang unerkannte bzw. ungeklärte Faktoren eine Rolle für die Ergebnisse spielen könnten. Auf mögliche Einflüsse von Hormonen und anderen bioaktiven Substanzen geht ein Kommentar2 zu der Studie näher ein, mit dem Fazit, dass hierzu weitere Analysen notwendig sind.
Metaanalyse: Kein Zusammenhang zwischen Milch und Brustkrebs
Andere große Beobachtungsstudien fanden keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Milch und Brustkrebs. In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2021 wurden 36 Beobachtungsstudien mit insgesamt über 1 Million Teilnehmerinnen zusammengefasst3. Die Ergebnisse zeigten unterschiedliche Effekte für verschiedene Milchprodukte:
- Milchprodukte insgesamt betrachtet reduzierten das Brustkrebsrisiko, insbesondere in Bezug auf östrogen- und progesteronrezeptor-positive Tumoren.
- Dies galt jedoch nicht für Milchprodukte mit hohem Fettgehalt. Diese erhöhten das Risiko eher, wenn auch nicht statistisch signifikant.
- Für fettarme Milchprodukte zeigte sich prämenopausal eine Risikoreduktion.
- Fermentierte Milchprodukte wie Käse oder Joghurt wirkten postmenopausal protektiv.
- Nicht-fermentierte Milchprodukte und Milch alleine betrachtet hatten hingegen keinerlei Einfluss auf das Risiko für Brustkrebs.
Milch und Krebsrisiko: Was sagen Fachgruppen?
Empfehlung der DGE: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt gesunden Erwachsenen in ihren erst kürzlich überarbeiteten, lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen4, täglich zwei Portionen Milch und Milchprodukte zu sich zu nehmen. Das entspricht etwa 250 g Milch (1 Glas) und zusätzlich 30 g Käse (1 Scheibe) oder 150 g Joghurt (1 Becher) pro Tag. Denn Milch ist reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen, insbesondere Kalzium, sowie Spurenelementen wie Iod. Sie gilt daher als wertvoller Bestandteil einer gesunden Ernährung.
Im Vergleich zu früheren Orientierungswerten wird damit insgesamt eine Portion weniger Milch beziehungsweise Milchprodukte pro Tag empfohlen. Generell wird in den neuen Empfehlungen der DGE der Fokus noch stärker auf pflanzliche Lebensmittel gelegt, auch unter Berücksichtigung von Umweltaspekten.
World Cancer Research Fund: Der World Cancer Research Fund (WCRF) veröffentlichte 2018 eine aktualisierte Version des Breast Cancer Report5. In dieser wird der Konsum von Milchprodukten sogar mit einer möglichen Reduktion des Risikos für prämenopausalen Brustkrebs in Verbindung gebracht.
Fazit für die Praxis
Nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse besteht keine Veranlassung, wegen eines möglichen Brustkrebsrisikos auf Kuhmilch zu verzichten. Ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs durch Milch konnte bislang nicht eindeutig bewiesen werden. Einige Studien zeigten sogar ein reduziertes Risiko. Ob weitere Studien die Zusammenhänge genauer klären können, und ob sich daraus in Bezug auf Brustkrebs eher protektive oder schädliche Einflüsse von Kuhmilch ergeben, bleibt abzuwarten.
Die DGE empfiehlt weiterhin, täglich Milch oder Milchprodukte zu verzehren. Auch für bereits an Brustkrebs Erkrankte gibt es keine davon abweichenden Empfehlungen.
Quellen
1Fraser GE, Jaceldo-Siegl K, Orlich M, Mashchak A, Sirirat R, Knutsen S. Dairy, soy, and risk of breast cancer: those confounded milks. Int J Epidemiol. 2020 Oct 1;49(5):1526-1537. doi: 10.1093/ije/dyaa007.
2Perez-Cornago A. Commentary: Dairy milk intake and breast cancer risk: does an association exist, and what might be the culprit? Int J Epidemiol. 2020 Oct 1;49(5):1537-1539. doi: 10.1093/ije/dyaa199.
3He Y, Tao Q, Zhou F, Si Y, Fu R, Xu B, Xu J, Li X, Chen B. The relationship between dairy products intake and breast cancer incidence: a meta-analysis of observational studies. BMC Cancer. 2021 Oct 15;21(1):1109. doi: 10.1186/s12885-021-08854-w.
4Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Gut essen und trinken – Der DGE-Ernährungskreis (Zugriff am 31.05.2024).
5World Cancer Research Fund/American Institute for Cancer Research. Continuous Update Project Expert Report 2018. Diet, nutrition, physical activity and breast cancer (PDF).
Weitere Quellen (Auswahl)
Dong JY, Zhang L, He K, Qin LQ. Dairy consumption and risk of breast cancer: a meta-analysis of prospective cohort studies. Breast Cancer Res Treat. 2011 May;127(1):23-31. doi: 10.1007/s10549-011-1467-5.
Chen L, Li M, Li H. Milk and yogurt intake and breast cancer risk: A meta-analysis. Medicine (Baltimore). 2019 Mar;98(12):e14900. doi: 10.1097/MD.0000000000014900.
Gesundheitsinformation.de: Wie kann ich meinen Kalziumbedarf decken? (Zugriff am 31.05.2024).
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