Menschen mit Autismus nehmen die Welt auf ihre eigene Weise wahr. Es fällt ihnen schwerer, die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen zu verstehen und ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Dadurch ist es für sie schwieriger, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Mit der richtigen Unterstützung können sie dennoch ein zufriedenes Leben führen und an der Gesellschaft teilhaben, berichtet das deutsche Gesundheitsportal Gesundheitsinformation.de.
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Autismus entsteht durch eine Entwicklungsstörung im Gehirn. Fachleute sprechen von einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Häufig wird der Fachbegriff auch mit „Autismus-Spektrum“ abgekürzt.
Menschen mit Autismus sind sehr unterschiedlich: Manche können gut für sich selbst sorgen und leben selbstständig – auch wenn einige in bestimmten Bereichen Unterstützung benötigen. Viele sind aber stärker beeinträchtigt und auf umfassende Hilfe angewiesen.
Symptome
Das Autismus-Spektrum ist vielfältig. Es umfasst folgende Merkmale:
- Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen (soziale Interaktion): Menschen mit Autismus wirken oft abwesend, in sich gekehrt und suchen seltener Blickkontakt. Manche sind auch sehr kontaktfreudig, aber verhalten sich dabei für Außenstehende mitunter ungewöhnlich. Denn Menschen mit Autismus können sich nicht so gut in andere hineindenken. Das erschwert es ihnen, mit anderen Menschen umzugehen und Beziehungen aufzubauen. Sie deuten Kommunikation eher fehl und nehmen Mehrdeutigkeiten und Ironie nicht gut wahr. In vielen Situationen reagieren sie ungewöhnlich – zum Beispiel, indem sie auf Gefühlsäußerungen ihres Gegenübers nicht eingehen.
- Kommunikationsprobleme: Manche lernen später und schlechter sprechen oder sprechen gar nicht mit anderen. Sie verwenden auch weniger Gesten, um anderen etwas mitzuteilen. Ihre Sprachmelodie ist monotoner. Manche wiederholen ständig bestimmte Begriffe und Sätze oder sprechen das nach, was andere sagen. Andere wiederum sprechen sehr genau und ausgefeilt.
- stereotypes und repetitives Verhalten: Menschen mit Autismus neigen dazu, einige Verhaltensweisen ständig zu wiederholen, zum Beispiel mit den Armen zu wedeln oder Dinge stets auf eine ganz bestimmte Art zu erledigen. Sie interessieren sich oft nur für wenige oder ungewöhnliche Dinge, dafür aber sehr intensiv. Flexibilität und Spontaneität fallen ihnen schwer. Routinen und verlässliche Abläufe sind für sie sehr wichtig.
Außerdem reagieren sie manchmal besonders empfindlich oder auch unempfindlich auf äußere Reize wie Geräusche, Gerüche oder Berührungen.
Diese Merkmale sind individuell verschieden ausgeprägt – bei manchen Menschen sind bestimmte Merkmale auch gar nicht vorhanden. Fachleute haben Autismus lange Zeit in verschiedene Formen eingeteilt: in frühkindlichen Autismus, Asperger-Autismus und atypischen Autismus. Da sich diese jedoch nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen, wird zunehmend nur noch von der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) oder dem Autismus-Spektrum gesprochen.
Viele Menschen mit Autismus haben weitere Beeinträchtigungen. Dazu gehören beispielsweise Schlafstörungen, Essstörungen, Angst- oder Zwangsstörungen, Tic-Störungen, eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Epilepsie oder eine Depression. Es kann auch zu herausforderndem Verhalten wie Selbstverletzung, starken Wutanfällen und Aggressionen kommen – dies ist meist ein Zeichen dafür, dass sie überfordert sind oder sich missverstanden fühlen. Etwa die Hälfte der Menschen mit Autismus ist intellektuell beeinträchtigt. Die andere Hälfte ist normal bis sehr intelligent, hochbegabt sind aber nur wenige.
Ursachen und Risikofaktoren
Autismus ist angeboren und die Folge einer Entwicklungsstörung des Gehirns. Die genauen Ursachen von Autismus sind noch nicht vollständig erforscht. Die genetische Veranlagung hat allerdings einen starken Einfluss. Bei Eltern mit Autismus ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ihre Kinder ebenfalls Autismus haben.
Wenn Eltern bereits ein Kind mit Autismus haben, ist zudem die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein zweites Kind ebenfalls Autismus hat – sie liegt dann im Durchschnitt bei 10 bis 20 %. Das individuelle Risiko hängt wiederum vom genetischen Auslöser ab. Manchmal kann dies durch Gentests beim ersten Kind und den Eltern ermittelt werden. Je nach Ergebnis ist die Wahrscheinlichkeit dann gering (zum Beispiel 1 %) oder hoch (50 %), dass das zweite Kind ebenfalls Autismus hat.
Mit zunehmendem Alter von Mutter und Vater steigt das Risiko, dass sie ein Kind mit Autismus bekommen. Dies liegt vor allem daran, dass genetische Veränderungen mit dem Alter häufiger werden. Auch Komplikationen während der Schwangerschaft können eine Rolle spielen – zum Beispiel eine Infektion mit Röteln oder eine Frühgeburt. Nehmen Schwangere bestimmte Antiepileptika ein (vor allem den Wirkstoff Valproinsäure), erhöht dies das Risiko ebenfalls.
Wichtig: Autismus wird weder durch Impfungen noch durch die Erziehung der Eltern ausgelöst. Dies wird gelegentlich behauptet, ist wissenschaftlich jedoch widerlegt.
Verlauf
Autismus bleibt in der Regel ein Leben lang bestehen. Er kann jedoch sehr unterschiedlich verlaufen. Häufig nehmen die typischen Symptome im Laufe der Jahre ab oder verändern sich. Einzelne Merkmale können sich auch vorübergehend oder dauerhaft verstärken. Viele Kinder und Jugendliche lernen mit der Zeit aber, besser zu kommunizieren und mit anderen Menschen umzugehen.
Manchmal zeigen sich Auffälligkeiten schon sehr früh, im Alter von 1 bis 2 Jahren. Manche Menschen leben aber auch viele Jahre oder Jahrzehnte mit Autismus, ohne dass er erkannt wird. Sie spüren vielleicht schon lange, dass bei ihnen etwas anders ist, haben aber vor ihrer Diagnose keine Erklärung dafür gefunden.
Es ist möglich, dass frühe Anzeichen von Autismus bei Kindern mit der Zeit verschwinden – oder sich andere Ursachen herausstellen. Dies betrifft vor allem Kinder mit weniger auffälligen Ausprägungen. Es kann aber auch sein, dass sich Kinder in den ersten Lebensjahren normal entwickeln und erst später Autismus-typische Symptome zeigen.
Viele Menschen mit Autismus brauchen ein Leben lang intensive Unterstützung. Manche können selbstständig leben, einem Beruf nachgehen und eine Familie gründen. Aber auch sie brauchen manchmal Hilfe bei Herausforderungen im Alltag. Mit der Zeit gelingt es vielen, besser mit dem Autismus umzugehen. Das hängt jedoch stark davon ab, wie gut sie unterstützt und ihren Bedürfnissen entsprechend gefördert werden. Entscheidend ist, wie gut es gelingt, die Autismus-typischen Herausforderungen zu lösen, und wie sich Begleiterkrankungen auswirken. Häufige Begleiterkrankungen sind beispielsweise Schlaf-, Ess- oder Angststörungen.
Diagnose
Wenn das eigene Kind sich auffällig verhält, kann das Eltern sehr verunsichern. Die Kinder- und Jugendarztpraxis ist dann eine gute erste Anlaufstelle – auch im Rahmen der regelmäßigen U-Untersuchungen. Bei Bedarf wird an eine spezialisierte Einrichtung überwiesen. Erwachsene können sich zunächst an ihre Hausarztpraxis wenden. Es ist auch möglich, sich direkt an eine psychotherapeutische oder psychiatrische Praxis zu wenden.
Autismus kann nur von Fachärztinnen und Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie oder von Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten diagnostiziert werden. Bei Kindern und Jugendlichen sollten es Fachleute sein, die auf diese Altersgruppe spezialisiert sind. Die Diagnostik selbst ist sehr umfangreich und zeitaufwendig. Denn es ist wichtig, genau hinzuschauen und andere Ursachen auszuschließen. Zu den Untersuchungen gehören
- Gespräche mit Kind und Eltern,
- ausführliche Befragung der Eltern mit speziellen Fragebögen,
- Verhaltensbeobachtung im Umgang mit anderen Menschen oder beim Spielen,
- Entwicklungstests, vor allem der Intelligenz und Sprache, sowie
- medizinische Untersuchungen.
Dafür sind mehrere Termine nötig. Oft wird die Entwicklung des Kindes eine Zeit lang beobachtet, bevor eine Diagnose gestellt wird. Eine Diagnose kann ab dem zweiten Lebensjahr möglich sein. In welchem Alter eine verlässliche Diagnose möglich ist, hängt aber unter anderem davon ab, wie deutlich die Auffälligkeiten sind und wie sie sich entwickeln.
Bei Erwachsenen ist die Diagnostik ähnlich umfangreich. Die Diagnose ist meist schwieriger, da die Symptome oft nicht so eindeutig sind wie bei Kindern. Viele Erwachsene haben mit der Zeit gelernt, bestimmte Merkmale zu unterdrücken, um nicht aufzufallen – dies wird „Masking“ genannt. Außerdem können andere Erkrankungen ähnliche Symptome wie Autismus haben, zum Beispiel Persönlichkeits- oder Angststörungen.
Es kann sinnvoll sein, die Diagnose im Laufe der Jahre zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für Kinder, bei denen die Merkmale weniger deutlich sind. Zudem überprüfen Ärztinnen und Ärzte regelmäßig, wie sich das Kind insgesamt entwickelt.
Behandlung
Bei Kindern wird nach der Diagnose ein individueller Behandlungsplan erstellt. Dieser kann folgende Elemente enthalten:
- Verhaltenstherapie, einschließlich sozialem Kompetenztraining
- Logopädie
- Ergotherapie
- Information und Beratung (Psychoedukation)
Für Kinder bis zum Schuleintritt wird eine verhaltenstherapeutische Frühförderung angeboten, die spezifisch auf Autismus ausgerichtet ist. Die Eltern werden in die Behandlung einbezogen und erhalten ebenfalls Unterstützung.
Erwachsene mit Autismus können ebenfalls eine Psychotherapie in Anspruch nehmen.
Bei Autismus können Medikamente gelegentlich infrage kommen, um herausforderndes oder belastendes stereotypes Verhalten zu lindern. Auch Begleiterkrankungen wie ADHS, Schlafstörungen, Angst- und Zwangsstörungen, depressive Episoden oder Epilepsie lassen sich mit Medikamenten behandeln. Autismus selbst ist mit Medikamenten aber weder behandelbar noch heilbar.
Eine Behandlung kann die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen verbessern und die Ausprägung mildern. Sie kann auch helfen, besser mit Autismus umzugehen und die Stärken des Kindes zu fördern. Bei Jugendlichen und Erwachsenen geht es eher darum, den Autismus als Teil der eigenen Identität zu akzeptieren und das Alltagsleben daran anzupassen. Auch die Behandlung von Begleiterkrankungen kann eine wichtige Rolle spielen.
Leben und Alltag
Autismus kann sich sehr unterschiedlich auf das eigene Leben und das der Familie auswirken. Menschen mit Autismus fällt es schwerer, Kontakte zu knüpfen, und sie werden oft missverstanden. Sie haben häufiger Schwierigkeiten, einen Beruf auszuüben oder Beziehungen einzugehen. Manche Menschen mit Autismus sind so stark eingeschränkt, dass sie viel Hilfe im Alltag benötigen. Andere führen dagegen ein selbstständiges Leben, haben einen Beruf, gründen eine Familie und kommen gut zurecht.
Für viele Eltern ist eine wichtige Frage, in welche Betreuungseinrichtung und Schule ihr Kind gehen soll. Ist es in speziellen Fördereinrichtungen besser aufgehoben oder kann es einen Regelkindergarten und eine Regelschule besuchen? Dazu können sich Eltern unter anderem in Autismus-Zentren beraten lassen.
Meist ist es sinnvoll, das Umfeld (Familie, Freundeskreis, Schule, Arbeitgeber) über Autismus und den Umgang mit Menschen mit Autismus zu informieren. Andere Menschen müssen oft erst lernen, mit den typischen Eigenheiten umzugehen.
Folgende Unterstützungsleistungen gibt es:
- Nachteilsausgleich
- Kita- und Schulbegleitung
- sozialpädagogische Familienhilfe
- familienunterstützender Dienst
- Hilfsmittel
- Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben
- besondere Wohnprojekte (zum Beispiel betreute Wohngemeinschaften)
- Pflegeleistungen
Die meisten Behandlungs- und Unterstützungsleistungen werden von der Eingliederungshilfe und nicht von den Krankenkassen bezahlt. Die Eingliederungshilfe wird beim Jugend- oder Sozialamt beantragt.
Quellen
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP). Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, Teil 1: Diagnostik (S3-Leitlinie, in Überarbeitung). AWMF-Registernr.: 028-018. 2016.
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, Teil 2: Therapie (S3-Leitlinie). AWMF-Registernr.: 028-047. 2021.
Freitag C, Kitzerow J, Medda J et al. Autismus-Spektrum-Störungen 2017.
Lord C, Elsabbagh M, Baird G, Veenstra-Vanderweele J. Autism spectrum disorder. Lancet 2018; 392(10146): 508-520.
Roy M, Strate P. Autism Spectrum Disorders in Adulthood-Symptoms, Diagnosis, and Treatment. Dtsch Arztebl Int 2023; 120(6): 87-93.
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